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Flut 2002


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Nun ist es doch die Elbe...

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Unermesslicher Schaden

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Es war die Müglitz...

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22./23. August:
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12. Februar 2003: Bilanz
Am Tag als der Regen kam
[auch als PDF (328 kb)]

März 2003:
Spenden-Dokumentation der
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Schadensgebiet Müglitztal

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Das Augusthochwasser 2002 –
Chronologie aus der Distanz

Dresden, 12. 2. 2003. Im August 2002 kam Ilse über Sachsen: Ein Tief, das „sich über dem Mittelmeer zum perfekten Tief“ entwickelt hatte, wie der Meteorologe Jörg Kachelmann es für einen Beitrag im ARD-Buch „Jahrhunderflut“ formulierte. Das Tief („oben kalt, unten viel feuchte Wärme“) hatte schon in Österreich, Bayern, Tschechien und der Slowakei für Hochwasser gesorgt.
Die Computer der Meteorologen hatten ursprünglich errechnet, dass das Tief nicht weiter gen Norden ziehen würde, sondern nach Osten. Doch Ilse nahm den Weg, den Tiefs dieser Art schon seit langer Zeit nehmen. Kachelmann: „Ein Vb, ein Fünf-B-Tief nach einer alten Klassifizierung von verschiedenen Zugbahnen, die Tiefs über Europa einschlagen können. Alle anderen Zugbahnen sind in Vergessenheit geraten, die Vb-Zugbahn blieb in den Köpfen. Sie ist die gefährlichste.“

Die tradierte Erfahrung sollte in den nächsten Tagen nicht nur bestätigt, sondern in nie erwartetem Ausmaß übertroffen werden. Am 9. und 10. August berichten die Wettervorhersagen bereits von Dauerniederschlag in den Bergen, der sich zu flächendeckendem Regen mit teilweise weit über 100 Litern pro Quadratmeter entwickelte. Normal sind andere Niederschlagsmengen: In Zinnwald an der sächsisch-tschechischen Grenze fielen beispielsweise im ganzen Monat Juli 78 mm Niederschlag. Im August waren es 470 mm, mehr als die sechs Monate zuvor - und fast die gesamte Menge schüttete an jenen Tagen rund um das zweite August-Wochenende vom Himmel. Der „Vorläufige Kurzbericht über die meteorologisch-hydrologische Situation beim Hochwasser im August 2002“ des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie fasst nüchtern zusammen: „An der Station Zinnwald-Georgenfeld im Erzgebirge ist vom 12.08.2002, 7:00 Uhr bis zum 13.08.2002, 7:00 ein 24-Stundenwert der Niederschlagshöhe von 312 mm gemessen worden. Das ist der größte Tageswert der Niederschlagshöhe, der seit Beginn routinemäßiger Messungen in Deutschland registriert wurde. Er kommt – in einem Gebiet von bis zu 25 qkm – der vermutlich größten Niederschlagshöhe nahe, die dort physikalisch überhaupt möglich ist.“

Die verheerenden Folgen: Bäche und kleine Flüsse schwollen enorm an, Unmengen Wasser flossen in die Talsperren. Welche Katastrophe da auf sie zukommen sollte, ahnte zuerst keiner. Es war – nach einem noch schönen Wochenende in Dresden – für die meisten in der Wahrnehmung lediglich ein unerfreulicher Sommerregen, mehr nicht. Erst als die Dresdner am Dienstag (13. August) früh zur Arbeit wollten, waren sie eher verwirrt: Wasser im Hauptbahnhof? Woher sollte das kommen? Die Elbe war in den Tagen zuvor gestiegen, aber das hatte man ohne wirkliche Sorge vom rechten Elbufer auf den Stühlen der „Filmnächte“ oder aus der sicheren Höhe der Brühlschen Terrasse eher amüsiert beobachtet. Das Leben im sommerlichen Elbflorenz ging weiter – bis eben in Dresden der Bahnhof geflutet war. Und Ortsteile wie Friedrichstadt gesperrt wurden.

Was zu diesem Zeitpunkt außerhalb der betroffenen Orte noch keiner so richtig realisierte: Das war nicht die Elbe – das war die Weißeritz. Noch undurchsichtiger die Nachrichtenlage vom Müglitztal, und es sollte auch noch dauern, bis die ersten Bilder von der verheerenden Kraft der Müglitz aus Glashütte, Schlottwitz oder Weesenstein das volle Ausmaß der Katastrophe offenbarten.

Der „Bericht der Unabhängigen Kommission der Sächsischen Staatsregierung Flutkatastrophe 2002“ (besser bekannt als „Kirchbachbericht“ nach dem Vorsitzenden General a.D. Hans-Peter von Kirchbach schildert den Ablauf für die einzelnen Regionen. Der 252seitige Bericht steht als Dokument komplett im Internet; hier folgen einige Auszüge zur Chronologie der Ereignisse (Hervorhebungen von mir):

Die Elbe entwässert mit ihren Zuflüssen in Tschechien auch das gesamte Böhmische Becken einschließlich der Südseite des Erzgebirges. Ihr Einzugsbereich bis zur tschechisch-sächsischen Grenze beträgt 51.336 qkm und reicht insbesondere durch den Zufluss der Moldau im Süden bis nach Österreich, bis zum Arber im Westen und Czeb (Eger) im Nordwesten.

Maßgebliche Flussgebiete, die Wasser aus dem Erzgebirge aufnehmen, sind Elbe, Weiße Elster, Mulde, Weißeritz, Lockwitzbach, Müglitz, Gottleuba und Röder. Im Gegensatz zu den in der nordöstlichen Ebene fließenden Wasserläufen, die eine verhältnismäßig geringe Fließgeschwindigkeit aufweisen, erreichen die aus dem Erzgebirge zufließenden Wasserläufe durch ihr starkes Gefälle eine wesentlich höhere Fließgeschwindigkeit.
...
In der Zeit vom 12. bis 14. August 2002 wurden in mindestens sieben Wetterstationen Sachsens Niederschläge von über 250 mm/qm gemessen, in mindestens 13 Stationen von über 200 mm/qm. In weiteren 22 Wetterstationen lagen die Niederschläge bei über 150 mm/qm. In Zinnwald betrug die Niederschlagsmenge 406 mm/qm. Sämtliche Werte liegen weit über dem langjährigen Monatsmittel für den August; sie erreichen zum Teil ein Drittel der langjährigen Jahresniederschlagsmenge.
...
Für Wasserstauanlagen sind Betriebspläne erstellt. Soweit eine Wasserstauanlage nicht vollständig dem Hochwasserschutz oder der Elektroenergieerzeugung dient, wird darin der Stauraum für die verschiedenen Nutzungen aufgeteilt, indem ein Bewirtschaftungsraum (Bereitstellung von Wasser zur Trink- und Brauchwasserversorgung, zur Elektroenergieerzeugung oder zur Abflussregulierung), ein Hochwasserrückhalteraum sowie ein Reserveraum festgelegt wird. So ist etwa für die Talsperren Malter, Lehnmühle und Klingenberg bei einem Stauraum von insgesamt 47,08 Mio. Kubikmeter (ohne Vorsperren) ein Hochwasserrückhalteraum in den Monaten Juli bis Februar von insgesamt 6,36 Mio. Kubikmeter (13,51 Prozent) vorgeschrieben. Ist eine Wasserstauanlage vollständig gefüllt, also ihr Speicherraum ausgeschöpft, fließt zusätzliches Wasser über die Hochwasserentlastungsanlage ab, um ein Überschwemmen des Absperrbauwerkes zu verhindern. Durch die Verzögerungswirkung des Abflusses entsteht ein weiterer „außergewöhnlicher Hochwasserrückhalteraum“, der maximal dem Raum zwischen der Höhe der Hochwasserentlastungsanlage und der Krone des Absperrbauwerkes entspricht. Bei den Talsperren Malter, Lehnmühle und Klingenberg beträgt dieser „außergewöhnliche Hochwasserrückhalteraum“ insgesamt 4,2 Mio. Kubikmeter (8,92 Prozent). Mithin stehen äußerstenfalls ca. 22 Prozent des Stauraumes für den Hochwasserschutz zur Verfügung.

Die Weißeritz, die durch Freital und Dresden in die Elbe führt, vereinigt vor Freital die Wilde und die Rote Weißeritz. Daneben wird die Vereinigte Weißeritz in Freital durch die Wiederitz und den Poisenbach gespeist. Die genannten Flüsse erfahren von ihren Quellgebieten bis hin zur Mündung der Vereinigten Weißeritz in die Elbe weitere Zuflüsse.
Als Folge des Extremhochwassers von 1897 wurde in der Roten Weißeritz die Talsperre Malter mit Vorsperre (Fertigstellung 1913) und in der Wilden Weißeritz die Talsperre Klingenberg mit Vorsperre (Fertigstellung 1914) errichtet.

Die Müglitz hat ihr Quellgebiet im Oberen Osterzgebirge und erfährt auf tschechischer Seite sowie in den Landkreisen Weißeritzkreis und Sächsische Schweiz zahlreiche kleinere Zuläufe in das überwiegend enge Tal; sie mündet in Heidenau in die Elbe. An der Müglitz liegen die von dem Erzgebirgshochwasser besonders heimgesuchten Gemeinden Glashütte (darunter der Ortsteil Schlottwitz), Müglitztal mit den Ortsteilen Mühlbach und Weesenstein sowie die Gemeinde Dohna.

Als einzige Hochwasserrückhaltungsanlage im Einzugsgebiet der Müglitz besteht derzeit ein Rückhaltebecken bei Glashütte mit einem Stauraum von 0,07 Mio. Kubikmeter, der vollständig als Hochwasserrückhalteraum vorgesehen ist (Fertigstellung 1953). Es staut bei Glashütte das Wasser der Prießnitz, eines Nebenflusses der Müglitz, auf. Der Damm dieses Rückhaltebeckens brach während des Erzgebirgshochwassers nach Überspülung am 12. August 2002.
Der Grundstein für ein weiteres Rückhaltebecken, das die Müglitz selbst bei Geising kurz hinter dem Zufluss des Löwenbachs aufstauen soll, wurde am 5. August 2002 – eine Woche vor Beginn des Hochwassers – gelegt.

Die in Pirna in die Elbe fließende Gottleuba wird im Wesentlichen durch die in Pirna einmündende Seidewitz und die südöstlich von Langenhennersdorf zufließende Bahra gespeist. Die Seidewitz erfährt ihrerseits durch die Bahre südlich von Pirna Zulauf. Der Mordgrundbach mündet südlich von Markersbach in die Bahra.
Die extremen Hochwasser von 1927 und 1957 führten zum Aufbau eines Hochwasserrückhaltesystems im Einzugsgebiet der Gottleuba.

[Es] standen in sämtlichen Hochwasserrückhaltungsanlagen die zum Hochwasserschutz vorgesehenen Hochwasserfreiräume zur Verfügung. Insgesamt konnten die Hochwasserrückhaltungsanlagen so einen nicht unerheblichen Teil des zugeflossenen Wassers aufnehmen.

Entgegen einer verbreiteten Ansicht konnten die Hochwasserschutzräume nicht kurzfristig – etwa nach den ersten Unwettervorwarnungen vom 9. und 11. August 2002 – wesentlich erhöht werden. So würde etwa das geordnete Entleeren der Weißeritztalsperren über den Grundablass, ohne dass in den folgenden Flussläufen ein künstliches Hochwasser hervorgerufen würde, etwa 14 Tage dauern, vorausgesetzt, dass in dieser Zeit kein Zufluss in die Talsperren erfolgt.

Das 1953 erbaute Rückhaltebecken Glashütte brach während der Flut am 12. August 2002. … Das Rückhaltebecken fasst 0,07Mio.Kubikmeter, verfügt über ein Einzugsgebiet von 11qkm und kann die Prießnitz, einen Zufluss der Müglitz, aufstauen. Bis zur August-Flut wurde das Fassungsvermögen des Rückhaltebeckens nach Angabe der Gemeinde nie vollständig in Anspruch genommen. … Die Gefahr eines unkontrollierten Überlaufs der Dammkrone hat sich während des Augusthochwassers realisiert; der Damm brach am 12. August 2002 um 16.29 Uhr.
Infolge einer Überspülung der Krone wurde der Damm in kurzer Zeit teilweise von oben her abgetragen, was eine plötzliche Erhöhung des Wasserlaufs der Prießnitz zur Folge hatte und Glashütte entlang des Flusslaufs erheblich schädigte. Allerdings dürfte die Hochwasserentlastungswirkung des Glashütter Rückhaltebeckens für das Müglitztal sowie die Auswirkung des Dammbruches auf den Wasserstand der Müglitz angesichts der zahlreichen weiteren Zuflüsse aus den Höhenlagen sowie der Größe ihres Einzugsgebietes erheblich überschätzt worden sein.

Häufig [wurde] behauptet, dass die eine oder andere Talsperre zu geringe Hochwasserrückhalteräume aufweise. Dabei wird bei der teilweise sehr pauschalen Kritik oft übersehen, dass Talsperren neben dem Hochwasserschutz auch andere wichtige Funktionen erfüllen. Die Wasserversorgung Dresdens sowie des Umlandes wäre nach dem flutbedingten Ausfall der Elbewasserwerke Tolkewitz und Hosterwitz ohne einen entsprechenden Vorhalt zur Trinkwasserbereitung geeigneten Rohwassers in den Weißeritztalsperren gefährdet gewesen.

Die Situation in der Stadt [Dresden] war seit den Morgenstunden des 12. August 2002 wegen des Starkregens zunehmend angespannt. Zahlreiche Keller im Stadtbereich waren voll gelaufen. Bereits Mittags hatte die Feuerwehr eine technische Einsatzleitung eingerichtet. Aussagekräftige Mitteilungen des Hochwassermeldedienstes lagen der Stadt nicht vor.
Die sukzessive eingesetzte Berufsfeuerwehr der Stadt Dresden umfasst 500 Mitarbeiter, das Zivilschutzamt hat 12 Mitarbeiter. Diese 12 Mitarbeiter bilden auch den Kern des Katastrophenschutzstabes. Seit dem Nachmittag des 12.August 2002 wurde in der Stadtverwaltung die Frage der Auslösung von Katastrophenvoralarm oder Katastrophenalarm erörtert. Dabei habe die Frage der Kostentragung eine Rolle gespielt.

Nach Auslösung des Katastrophenalarms (12. August 2002, 19.20 Uhr ) konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Landeshauptstadt Dresden auf die Wasserführung der Weißeritz. Das Flussbett der Weißeritz war 1893 aus der Zentrumsnähe umgeleitet worden. Das künstliche Bett sei auf einen Wasserdurchfluss von 180 Kubikmeter/sek. ausgelegt, tatsächlich habe die Weißeritz in der Nacht vom 12. auf den 13. August 2002 aber 430Kubikmeter/sek (geschätzt) Wasser geführt. Der Normaldurchfluss im Sommer liege bei 2 Kubikmeter/sek. Dass die Weißeritz nicht nur ihr künstliches Flussbett, sondern auch ihr altes Flussbett verlassen würde und sich über den Dresdner Hauptbahnhof sogar in die Prager Straße ergießen würde, sei für niemanden in der Stadtverwaltung vorhersehbar gewesen. Kurzzeitig habe das Weißeritzwasser auch das Rathaus erreicht, das ab 10.00Uhr des 13. August 2002 für einige Stunden ohne Stromversorgung war. Infolge des Stromausfalls kam es auch zum zeitweiligen Ausfall des Telefonnetzes und in der Folge zu einer völligen Überlastung der Handynetze.

Neben den Anlagen der Deutschen Bahn AG bedrohte die Weißeritz vor allem die tiefgelegenen Straßenzüge von Dresden-Friedrichstadt und das dort gelegene Städtische Klinikum (950Betten, 1.800 Mitarbeiter).
Nach den Angaben des Klinikums gab es am 12. August 2002 gegen 16.00 Uhr erste Konsultationen im Rathaus der Landeshauptstadt, die Lage wurde insgesamt aber kontrolliert eingestuft, insbesondere, nachdem gegen 20.00 Uhr ein leichtes Nachlassen des Regens feststellbar war.
Am 12. August 2002 um 23.15 Uhr gab es einen Hinweis der Stadt, dass wegen der alten Weißeritz ein Problem auftreten könne; der Technikchef des Klinikums sah jedoch keinen Grund zur Sorge. ... Um 4.30 Uhr kam der Hinweis von der Stadt, dass das nahe gelegene Umspannwerk abgeschaltet werden müsse. Um 5.50 Uhr brach die städtische Stromversorgung ab, für lebensnotwendige Geräte stand ein Notstromaggregat zur Verfügung. Aufgrund des Stromausfalls wurde entschieden, das Klinikum zu evakuieren. Die einzelnen Klinikchefs trafen bilaterale Dispositionen mit den aufnehmenden Einrichtungen.
Gegen 8.00 Uhr war auf dem Gelände des Klinikums ein Wasserstand von bis zu 50 cm zu verzeichnen. Von 9.00 bis 17.00 Uhr wurde sodann die Evakuierung mit Hilfe des Technischen Hilfswerkes, städtischen Sanitätsfahrzeugen und des Deutschen Roten Kreuzes durchgeführt.

Der Landkreis [Meißen] war sowohl vom Erzgebirgshochwasser als auch – nachfolgend – vom Elbehochwasser betroffen. Krisenschwerpunkte während des Erzgebirgshochwassers bildeten das Triebischtal, das Ketzerbachtal, die Promnitz, die Große Röder und die Freiberger Mulde. Die Triebisch führte durch die Niederschläge im Erzgebirge in erheblichem Umfang Wasser. Da sie durch ein enges Tal fließt, entwickelte sich die Triebisch zu einem reißenden Strom. Das Wasser bewegte sich dann weiter nach Meißen. Auf Grund der Niederschläge gab es in der Nacht vom 12. zum 13. August 2002 zwei Flutwellen. …
Für die Stadt Meißen bedeuten Hochwassersituationen an sich Routine. Die August-Flut hatte für die Verantwortlichen der Stadt eine völlig neue Dimension, weil zunächst die Triebisch wegen des Erzgebirgshochwassers in bisher unbekanntem Ausmaß über die Ufer getreten und nachfolgend die Elbe einen extremen Pegelstand erreichte.

Durch die Überflutung der Triebisch wurden im Triebischtal alte Brücken zerstört und neue Brücken beschädigt, wobei die Beschädigungen insbesondere auf Treibgut zurückzuführen sind. Im Stadtgebiet kam erschwerend hinzu, dass der Abfluss des Wassers durch die Verschlammung des Triebischkanals und durch den – nicht beseitigten – Baumbewuchs gehemmt war. Sich verkeilendes Schwemmgut – ganze Baumstämme und Rohre – behinderten den Abfluss in die Elbe zusätzlich.

Eine Warnung der Bevölkerung vor der Überflutung durch die Triebisch ist nicht erfolgt. Lautsprecherwagen waren nicht verfügbar, ebenso wenig konnte mittels Sirenen gewarnt werden. In der Nacht vom 12. zum 13. August 2002 wurde versucht, die Bevölkerung über den Rundfunk zu warnen. Dafür hat sich jedoch nach Angabe der Stadtverwaltung kein Sender gefunden.


Maßnahmen der Katastrophenbekämpfung

Als besondere Herausforderung stellte sich auch der drohende Überlauf der Talsperren Malter und Klingenberg dar. Obwohl das Überlaufen der Talsperren absehbar war, habe niemand vorhersagen können, was in diesem Fall passieren werde. Insgesamt wurden ca. 2.000 Personen evakuiert, ca. 280 mussten mit Hubschraubern gerettet werden. Auch erwies sich der weitgehende Zusammenbruch der Telekommunikation als äußerst erschwerend. Teilweise waren Kontakte nur über Mobilfunktelefone möglich.

Eine Meldung über den angeblichen Bruch der Talsperre Malter hat bei den Betroffenen zu einer Massenpanik geführt. Teilweise sind Menschen aus Angst um ihr Leben die Hänge hinaufgeklettert. Aufgrund der Falschmeldung gingen zahllose Anrufe ein, die die Stabsarbeit zeitweilig blockierten. Der Stab selbst habe bereits 10Minuten nach dem Eingang der Meldung durch Augenschein feststellen können, dass es sich um eine Falschmeldung gehandelt habe.

Als der Damm des Rückhaltebeckens bei Glashütte um 16.29 Uhr brach, wurde er infolge der Überspülung der Krone auf einer Breite von mehreren Metern binnen 35 min. von oben her abgetragen, was die beschriebene Flutwelle für Glashütte zur Folge hatte. Noch vor Einbruch der Dunkelheit wurden am Abend des 12. August 2002 von einem Notarzthubschrauber und einem Bundeswehrhubschrauber mehrere Luftrettungen durchgeführt. Die letzte Luftrettung erfolgte gegen 20.15 Uhr. In der Nacht vom 12. auf den 13.August 2002 war die Feuerwehr pausenlos im Einsatz. Man hatte Sorge, dass Häuser weggespült werden. Weitere Rettungen konnten in der Nacht nicht durchgeführt werden. Am Morgen des 13. August 2002 erkundeten Hubschrauber der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes zunächst das Gelände. Die Rettungsaktionen wurden wieder aufgenommen. Insgesamt hat man in der Stadt Glashütte ca. 90 Personen per Luft und 20 Personen auf sonstige Weise gerettet. Insgesamt wurden 130 Bürger evakuiert.

Im Landkreis Sächsische Schweiz drohte die Gottleuba-Talsperre am Abend des 12. August 2002 zu brechen und musste abgelassen werden. Der Helferandrang während der Flutkatastrophe sei zeitweise nicht überschaubar gewesen. Zwischen den Hilfsorganisationen hätten teilweise regelrechte Verdrängungskämpfe stattgefunden. Es mussten umfangreiche Evakuierungen im Landkreis vorgenommen werden.

In der stark betroffenen Stadt Pirna wurde am 13. August 2002 um 3.00 Uhr mit der Evakuierung der Bewohner des Seidewitzertals und des Gottleubatals begonnen. … Bereits um 8.45 Uhr war die Evakuierung abgeschlossen. Bei der Rettung von drei infolge des Seidewitzhochwassers eingeschlossene Personen kam ein Feuerwehrmann ums Leben, als er von einem aufgeschwemmten PKW erfasst und unter Wasser gedrückt wurde. Insgesamt mussten knapp 15.000 Menschen evakuiert werden.

In Weesenstein, einem Ortsteil der Gemeinde Müglitztal, hat die Müglitz ihr Flussbett verlassen und mehrere Häuser mitgerissen. Eine Familie musste auf ihrem zusammenbrechenden Haus – zuletzt auf einer einzig noch stehenden Wand sitzend – ausharren, bis sie am nächsten Morgen mit einem Hubschrauber gerettet werden konnte. Nach Angaben der Stadtverwaltung sei die Warnung der Bevölkerung nicht rechtzeitig möglich gewesen. Anwohner des Ortsteils Weesenstein seien in ihre Häuser zurückgekehrt, nachdem sie ihre PKW in Sicherheit gebracht hatten. Keiner hätte mit solch einem drastischen Anstieg des Wassers gerechnet. Personen, die sich nicht auf dem Schloss in Sicherheit bringen konnten, wurden von den Dächern der Häuser gerettet.

In der Gemeinde Dohna konnten erst ab 6.00Uhr des 13. August 2002 massive Hubschrauberrettungen durchgeführt werden. Im Tagesverlauf wurden 30 – 50 Personen mittels Hubschrauber oder durch die Feuerwehr gerettet.

Zahlreiche Orte und einige Kreise wurden nach dem Abklingen des Erzgebirgshochwassers von einer zweiten Flut heimgesucht. Die Elbe und ihr Hauptzufluss die Moldau hatten in der Zeit vom 9. bis 17. August 2002 in Tschechien verheerende Überschwemmungen verursacht. In Prag war am 14. August 2002 ein historischer Höchststand der Moldau zu verzeichnen. Die Wassermassen der Elbe bewegten sich – gespeist von zahlreichen ebenfalls hochwasserführenden Nebenflüssen – auf die Grenze Sachsens zu. Für die bereits durch das Erzgebirgshochwasser schwer geschädigten elbnahen Städte und Gemeinden bedeutete diese zweite Überschwemmung eine nochmalige schwere Belastung.

In der Landeshauptstadt Dresden war bereits am 12. August 2002 um 19.20 Uhr wegen des Hochwassers der Weißeritz Katastrophenalarm ausgelöst worden. Der Anstieg der Elbe wurde erwartet. Allerdings werden die Vorhersagen des Landesamtes für Umwelt und Geologie auch in der Landeshauptstadt Dresden als zu wenig präzise kritisiert.

Die Elbe überflutete weite Teile der Stadt. Etwa 30.000 Einwohner waren betroffen und mussten Ihre Wohnungen verlassen. In den Ortsteilen Laubegast, Kleinzschachwitz, Gohlis, Cossebaude, Tolkewitz, Zschieren, Meußlitz, Dobritz, und Stetzsch sowie Übigau, Kaditz, Mickten, Loschwitz, Nierderpoyritz, Hosterwitz und Pillnitz wurden ganze Wohngebiete durch die Elbe überflutet. Überschwemmt waren auch Teile der historischen Altstadt, der Stadtteil Friedrichstadt sowie Industrie- und Gewerbegebiete im Osten Dresdens.

Der Ortsteil Laubegast stand völlig unter Wasser. Die Elbe suchte ihr altes Flussbett und flutete einen alten Elbarm. Ein ähnliches Bild zeigte sich nach dem Volllaufen der Kaditzer Flutrinne in Übigau. Tiefer gelegene Straßen waren mehrere Meter hoch überflutet.

Überwiegend hat sich die Bevölkerung selbst in Sicherheit gebracht und wurde von Freunden oder Verwandten aufgenommen. Daneben standen in 43 Schulen ca. 7400 Betten für Einsatzkräfte und evakuierte Bürger zur Verfügung. Zwangsevakuierungen waren nur ausnahmsweise nötig. Wegen des Elbehochwassers mussten auch Alten- und Pflegeheime geräumt werden; die Betroffenen konnten zum Großteil in Hotelbetten untergebracht werden. Wegen des Elbehochwassers wurden darüber hinaus neben dem Universitätsklinikum Carl-Gustav-Carus und dem Herzzentrum die Krankenhäuser Dresden Neustadt, und das Diakonissenkrankenhaus evakuiert. Insgesamt wurden ca. 2.900 Patienten mit Hubschraubern und Flugzeugen evakuiert.

Ulrich van Stipriaan
Originalbeitrag STIPvisiten · 12. 02. 2003 Beitrag als PDF mit Bildern (428 KB)